Quelle: Märkische Allgemeine, Potsdamer Stadtkurier, 07.01.2011

Landeier haben Konjunktur Dioxin-Skandal Kunden in der Region reagieren gelassen und kaufen auf dem Hühnerhof von nebenan

 

Heimische Eier sind derzeit gefragt. Während sich der Dioxin-Skandal ausweitet, setzen Mittelmärker verstärkt auf regionale Produkte

Von Jens Steglich und Konstanze Wild

POTSDAM-LAND Die 70 Legehennen von Christina Rennpferd picken Weizen, Mais und Erbsen. Ab und an gibt es auch Gemüse-Allerlei, Rote Beete und Möhrchen stehen dann auf dem Futterplan. Auf Kraftfutter verzichtet Rennpferd, das kommt bei ihr nicht in den Futtertrog. Die robusten braunen Hennen der Sorten Lohmann und Hampshire tummeln sich derzeit im Gehege, ein Vordach schützt bei Freigang vor Wind und Wetter.

Im Sommer unternimmt das Federvieh ausgedehnte Spaziergänge durch den Garten der Saftoase in Schenkenhorst. „Viele Kunden fragen, ob das wirklich eigene Eier sind, ob die sicher sind“, sagt die Geschäftsfrau. Neben ihrer Moststation eröffnete sie jüngst einen Hofladen in der Dorfstraße10. Ihre Kunden kommen aus der Umgebung, manche auch aus Berlin. „Die überzeugen sich gern selbst von der Qualität und gucken schon mal in den Hühnerhof.“

Kein Zweifel: Während sich der Skandal um dioxinverseuchtes Hühnerfutter ausweitet, setzt der Mittelmärker verstärkt auf Produkte aus seiner Region. Der Trend geht zum heimischen Landei, das möglichst von freilaufenden Hennen stammt. „Ich habe heute erst frische Eier geholt“, sagt Brigitte Landmann. Die Rehbrückerin griff zu Freilandeiern von der Beelitzer Frischei eG, die es im Edeka-Markt ihres Heimatortes gibt. Für die Beelitzer Eier gaben gestern Hersteller und Experten Entwarnung. Sie gelten nach derzeitigem Stand als unbelastet. Frau Landmann kauft auch Bio-Eier auf dem Wochenmarkt in Rehbrücke oder sie fährt nach Philippsthal. Bevor sie an den Ständen am Straßenrand zugreift, schaut auch sie gern nach, wie die Hühner gehalten werden. „Ich achte schon darauf, ob sie mal Grünes bekommen und das Sonnenlicht sehen.“ Auf dem Hof in Philippsthal ging es den Hühnern gut.

Auf den Dioxin-Skandal reagieren die Eier-Konsumenten im Umland eher gelassen, wie eine Umfrage in Bergholz-Rehbrücke ergab. „Essen Sie noch Eier?“ – „Warum nicht“, sagt Manfred Fischer und fügt hinzu: „Was wir alles in uns hineinstopfen – da sieht sowieso keiner mehr durch. Oder wissen Sie, was die in der Keksfabrik alles untermischen?“ Auch in den Bäckereien merkt man derzeit keine Abneigung gegen Eier-Produkte. Bei Dahlback in Rehbrücke kaufen die Leute nach wie vor das Baguette mit Ei oder lassen sich das Spezialangebot schmecken – den „Scharfen Hahn“. Das ist ein Brötchen mit Hähnchenbrust, Krautsalat und Chili-Soße. „Mich hat noch kein Kunde gefragt, ob im Kuchen Eier sind“, sagt die Verkäuferin. Ihr Mann hat gestern morgen aber noch festgelegt: „Wir holen nur noch Bio-Eier.“ In der Bäckerei Schüren an der Scheunertallee ist der Befund ähnlich. „Eierschecke wird weiter gekauft“, sagt Jana Schüren. Vereinzelt gibt es sie aber doch – die Eier-Verweigerer. Man erkennt sie in der Bäckerei an Sprüchen wie diesen: „Bitte kein Ei aufs Brötchen!“ „Man kann sie aber an einer Hand abzählen“, so Jana Schüren.

„Ich esse Eier genauso wie vorher“, sagt Professor Hans-Rudolf Glatt, Leiter der Abteilung „Ernährungstoxikologie“ beim Rehbrücker Institut für Ernährungsforschung. „Bei der Kontrolldichte in Deutschland ist es nahezu unmöglich, dass man sich mit dem Essen von Eiern eine Dioxin-Vergiftung holt.“ Die Grenzwerte für den krebserregenden Stoff seien so festgelegt, „dass man jeden Tag unbedenklich mindestens sechs Eier mit einem Dioxin-Gehalt um den Grenzwert herum aufnehmen kann“, sagt er und fügt hinzu: „Sechs Eier täglich sind aber auch ohne Dioxin nicht gesund“ – wegen des hohen Cholesterin-Gehaltes.

Dennoch: „Es ist eine Schweinerei, wenn Industrie-Fette im Hühnerfutter landen“, sagt der Professor. „Das heimtückische am Dioxin ist, dass es Jahre im Körper bleibt und nur ganz langsam abgebaut wird.“