Quelle: Märkische
Allgemeine, Potsdamer Stadtkurier, 22.10.2010
In vielen Dörfern hat der letzte Laden längst dicht gemacht.
In Schenkenhorst wagt Christina Rennpferd den Neuanfang.
Von Konstanze Wild
SCHENKENHORST Der Duft
der krossen Brötchen breitet sich schnell in der kühlen Halle aus. Christina
Rennpferd packt die Semmeln aus dem Backofen zum Abkühlen in einen Korb, dann
wandern sie in die Papiertüte für Familie Schulz. Das Schenkenhorster Ehepaar
kauft gern in der Dorfstraße 10 ein, wo es seit drei Wochen sogar
Sonntagmorgens frische Brötchen gibt. Eckard Schulz lässt sich noch eingelegte
Paprika und Gurken abwiegen – Spezialitäten, die Rennpferd frisch aus dem
Spreewald holt – während seine Frau Lieselotte in der Bücherkiste stöbert.
Während in vielen Dörfern der letzte Laden längst das Licht
ausgemacht hat, entwickelt sich in Schenkenhorst der kleine Hofladen von
Christina Rennpferd seit vier Jahren beständig weiter. Angefangen hat die
ehemalige Verkäuferin, die zuletzt für Schlecker und Edeka hinter der Kasse
saß, mit einer Obstannahmestelle. Aus der näheren Umgebung, aber auch aus
Potsdam und dem Fläming treffen im Herbst Äpfel, Birnen oder Quitten
zentnerweise auf dem Hof der Rennpferds ein. Dort werden sie gewogen und gehen
dann nach Hohenseefeld bei Jüterbog in die Mosterei.
Mit Kisten und Körben kommen die Kunden, mit Gutscheinen oder
gleich vollen Saftkisten verlassen sie den Hof. Mittlerweile kaufen viele auch
noch etwas ein. Neben der Obstwaage lagern nun in einem eigenen Raum
Kraftfutter und Heu für Pferde – von denen gibt es bekanntlich viele in
Schenkenhorst – sowie Futter für Hunde, Katzen und Co. Und gegenüber im neuen
Hofladen warten prächtige Kohlköpfe, Zwiebeln, Porree und anderes „heimisches
Gemüse“ – darauf legt Rennpferd wert – auf Kundschaft. Die frischen Eier
stammen vom eigenen Hühnerhof, wo 70 bis 80 Hennen scharren und gackern. Nein,
das komplette Angebot eines klassischen Tante-Emma-Ladens oder eines Konsums,
wie es hierzulande früher hieß, könne sie noch nicht bieten, sagt die
45-Jährige, die von ihrem Mann und manchmal auch von Tochter Lisa unterstützt
wird.
„Doch wir staunen, was sie hier so alles auf die Beine
stellt“, wirft eine Kundin ein. „Bringen sie doch mal Steckrüben mit“, habe
neulich eine ältere Schenkenhorsterin beim Gemüsekauf angeregt. Und genau auf
diese Resonanz setzt Christina Rennpferd, damit sie ihr Sortiment auch
wirtschaftlich sinnvoll erweitern kann: „Was wollen die Leute hier vor Ort
einkaufen, was brauchen sie?“, fragt sich die Geschäftsfrau.
Darüber hinaus sind ein Dorfbäcker, Fleischer oder kleine
Läden aber auch mehr als nur Nahversorger für Waren des täglichen Bedarfs, da
sind sich die Kunden einig: Im Laden kauft man nicht nur ein, dort trifft man
Leute, dort wird geredet, werden Neuigkeiten ausgetauscht. Und so nehmen in
manchen Orten, in denen längst das letzte Geschäft dicht gemacht hat, die
Menschen ihre Zukunft mittlerweile selbst in die Hand. Ein Beispiel ist die
Initiative „Dorv – Dienstleistung und ortsnahe Rundumversorgung“, ein
Modellprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen. In Seddin arbeitet man derzeit
nach diesem Vorbild daran, das Zentrum am Standort der ehemaligen und seit
Jahren verwaisten Rewe-Kaufhalle mit Unterstützung der Bürger wieder zum Leben
zu erwecken (MAZ berichtete). Gerade ältere Menschen, Familien mit Kleinkindern
oder Neubürger, die sich noch nicht so gut auskennen im Dorf, profitieren von
solchen Treffpunkten, so der Ansatz. Christina Rennpferd ist selbst eine
„Zugezogene“. Vor fünf Jahren kam sie aus Kleinbeeren mit Mann und Kindern nach
Schenkenhorst. Dort und auch in Sputendorf gab es da schon lange keinen Konsum
mehr. Nicht zuletzt dank ihrer Geschäftsidee kennt sie aber nun die meisten
Menschen im Dorf.
Info Die Saftoase in der Dorfstraße 10 ist geöffnet: freitags
von 10 bis 18 Uhr, samstags von 8 bis 13 Uhr und sonntags von 7 bis 10 Uhr.